Joseph Conrads Jugend: Eine Erzählung (1898) ist eine halbautobiografische Geschichte, gerahmt als Marlows Rückblick auf seine erste Seereise nach Osten. Erzählt wird die missglückte Fahrt der Kohlefregatte Judea, die Stürme, Brände und Verfall übersteht, ehe sie vor Java sinkt. Marlows Ton oszilliert zwischen ironischer Distanz und wehmütiger Nostalgie – er romantisiert jugendlichen Idealismus, entlarvt aber gleichzeitig dessen Naivität. Die Erzählung kontrastiert die Verlockung des Abenteuers mit der Härte seemännischer Arbeit und dem indifferenten Wirken von Natur und Schicksal. Conrad verwebt eigene Jugenderfahrungen als Seemann mit existenziellen Themen: Erinnerung, Zeit und die selektive Verklärung von Leid. Kritiker sehen hier eine Brücke zu späteren Werken wie Herz der Finsternis, doch der Ton ist weniger zynisch, durchzogen von fast zärtlicher Anerkennung jugendlicher Vergänglichkeit.
Diese moderne Ausgabe von Conrads Klassiker enthält ein aktuelles Nachwort, umfangreiches Begleitmaterial (Zeitleiste zu Conrads Leben und Werk, Figurenglossar, Diskussionsfragen) sowie einen behutsam redigierten Romantext, der veraltete Begriffe zugunsten besserer Lesbarkeit anpasst.
Die Geschichte seziert das Paradoxon der Nostalgie: wie Scheitern und Leid durch den Filter der Erinnerung zum Mythos erstartern. Marlows Qualen auf der Judea – ein „ehrwürdiges“ Schiff, von Rost und Hoffnung zusammengehalten – sind eine Litanei des Desasters, doch Jahrzehnte später preist er sie als „größtes Abenteuer“. Conrad romantisiert nicht bloß die Jugend; er enthüllt die Mechanik der Selbstmystifizierung. Die Sinnlosigkeit der Reise (die Kohle zerstört das Schiff) wird zur Metapher der Jugend selbst – eine Verbrennung von Energie im Dienst von Illusionen. Marlows Publikum, mittelalte Männer im Schatten, bilden einen Chor der Ernüchterung; ihr Schweigen unterstreicht die zentrale Ironie: der Ruhm liegt nicht im Erfolg, sondern im Streben. Der Osten, endlich erreicht, ist keine Erfüllung, sondern ein Trugbild – seine Ufer riechen nach „Vegetation und Verfall“, eine Mahnung, dass alle Suche in Ambivalenz endet. Conrads Prosa pendelt zwischen komischer Absurdität (die Crews Beharrlichkeit) und gespenstischer Schönheit (das brennende Wrack als Symbol jugendlicher Vergänglichkeit). Die Macht der Erzählung liegt in ihrer Weigerung, Marlows Nostalgie als Lüge oder Notwendigkeit zu entscheiden. Ist die „Glut“ der Jugend Wahrheit oder Täuschung? Conrad lässt die Frage hängen wie Rauch nach dem letzten Feuer – spürbar, doch ungreifbar.