Fremdsein in der Welt ist für den österreichischen Juden Joseph Roth (1894–1939) ein Schicksal, das aus Krieg und Terror, Verfolgung und Flucht erwächst. Die Erfahrung des Ersten Weltkriegs und der Nachkriegszeit (die bereits auf den Zweiten Weltkrieg zusteuert) beraubt ihn der Hoffnung auf eine bessere Welt und lässt ihn zum ruhelosen Wanderer, aber auch zum Kritiker seiner Zeit werden. Als Journalist wie als Poet deutet er die Zustände der Wirklichkeit zwischen den beiden Weltkriegen als Auswüchse von Rassismus und Nationalismus, von falschem Optimismus und der «Tyrannei des Fortschritts».
Was den Autor im Kontext des öffentlichen Geschehens aber in erster Linie interessiert, ist der Blick auf den privaten Menschen, wie er sich sowohl in den Mächtigen als auch in den Underdogs dieser Welt offenbart. Und wenn die Großen stürzen, Macht in Ohnmacht umschlägt, die Schwachen den Starken den Rang ablaufen, dann spiegelt sich in diesem Bild der alttestamentarische Hiob, der für Roth das entscheidende Paradigma des Erdensdaseins ist.
Der renommierte Germanist Lothar Pikulik nimmt Joseph Roths vielfältiges Werk, darunter auch bislang weitgehend unbeachtete Texte, neu in den Blick und dokumentiert auf diese Weise die unverminderte Aktualität der zeitkritischen Diagnosen des Österreichers.