Die Oper ist ein Spiegel der Gesellschaft, in dem zahlreiche Diskurse reflektiert werden. Sie kann, wie die Literatur, nicht nur als eigenständiges Medium, sondern auch in Abhängigkeit von Rezeption und Verarbeitung des wissenschaftshistorischen Wandels in der Auffassung von Geisteskrankheiten gesehen werden. Heiliger Wahnsinn auf der Bühne widmet sich der theatralischen Entwicklung von Weiblichkeit in der Oper des Belcanto und ihrer Verbindung mit dem Hysteriediskurs, der als Grundlage für die Stilisierung der Frau als Femme fragile oder Femme fatale schließlich zu ihrer theatralen Hagiographie führt. Besonders virulent wurde die idealisierte Darstellung des Bühnenwahnsinns bei den berühmten Belcanto-Heldinnen. Hier zeigt sich eine Parallele der gesellschaftlichen Faszination für den psychiatrischen Diskurs und der Faszination für hysterische Opernfiguren, die den Zuschauer gerade in ihrer Zerbrechlichkeit und in den Momenten, in denen sie ihren Verstand verlieren, besonders anrühren.