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Natur und die westliche Zivilisation
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Literarische Kritik und Kompensation einer Entfremdung
出版Georg Olms Verlag, 2016-04-01
主題Foreign Language Study / German
ISBN34871541889783487154183
URLhttp://books.google.com.hk/books?id=S6zDDQAAQBAJ&hl=&source=gbs_api
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註釋

Der Prozess der westlichen Zivilisation vollzieht sich im Zeichen einer wachsenden Entfremdung von der Natur. Voll ins Bewusstsein tritt dieser Vorgang zum ersten Mal im Zeitalter der Aufklärung, wo Schriftsteller wie Rousseau und Schiller den so entstehenden Zwiespalt registrieren und kritisch kommentieren. Symptom der Krise ist paradoxerweise eine poetische Naturschwärmerei, die ihren Gegenstand umso sehnsüchtiger umwirbt, als er ihr innerlich fern und fremd bleibt. Von Schiller stammt die Aussage, dass unser Gefühl für Natur der Empfindung des Kranken für die Gesundheit gleiche.

Kompensiert also Natur im literarischen Text ihren Mangel im realen Leben, beschränkt sich die Darstellung freilich nicht auf die äußere und sichtbare Welt. Wenn Zivilisation ein Tagesgeschehen ist, erstreckt sich Natur auch auf die Nachtseite des Lebens, auf die hier schlummernden, tief verborgenen Kräfte besonders der Psyche. In Magie und Mythos macht sich ihr Widerstand gegen rationalistische „Entzauberung“ (Max Weber) geltend, in Sexualität, Revolte und Krieg ihr Aufruhr gegen Unterdrückung und Stillstand.

Widerstand gegen Zivilisation erfolgt im deutschen Sprachraum im Namen von „Kultur“. So problematisch jene Rückwendung zumal zu Eros und Gewalt ist, assoziiert sich das Streben nach Natur seit dem 18. Jahrhundert doch mit einer Konzeption kultureller Bestätigung, die im selben Maße ästhetisch verstanden und bewertet wird, wie zivilisatorisches Handeln auf den Begriff von Handwerk und Technik, Nutzen und Gewinn, Staat und Gesellschaft reduziert wird. Auch die moderne Spaltung in Geistes- und Naturwissenschaften ist weitgehend kompatibel mit dieser Dichotomie, sie geht im Grunde auf sie zurück.

Lothar Pikulik, geb. 1936, war von 1973 bis zu seiner Emeritierung Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Trier. Autor zahlreicher Monographien und Aufsätze zur Literatur und Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts, zur Klassik, Romantik und Moderne sowie zur Form und Theorie von Drama und Theater. Im Georg Olms Verlag sind erschienen: Schiller und das Theater (2007), Thomas Mann und der Faschismus (2012), Ästhetik des Interessanten (2014) und Erkundungen des Unbekannten (2015).

The development of Western civilsation is characterised by a growing alienation from nature. This process was first recognised in the age of the Enlightenment, when writers such as Rousseau and Schiller registered and critically commented on the dichotomy that it caused. A symptom of the crisis is, paradoxically, a poetic enthusiasm for nature, which yearningly pursues its subject while at the same time remaining inwardly distant and estranged from it. It was Schiller who said that our feelings for nature are like the feelings of a sick person for health.
If nature in literary texts compensated for its absence in real life, its depiction is nonthelesss not restricted to the outward and visible world.  If civilisation is a product of the daytime, nature also extends itself to the nocturnal side of life, to the powers that slumber there, hidden deep, especially those of the psyche.
Resistance to civilisation occurs in the German-speaking world in the name of ‘Kultur’. However problematic that reference particularly to Eros and violence may be, the pursuit of nature since the 18th century has indeed been associated with a conception of cultural recognition, equally understood and evaluated in aesthetic terms,  of how civilising actions are reduced to the concepts of craft and technology, use and gain, state and society.