Auch wenn sich die historische Auseinandersetzung mit dem Adel seit jeher großer Beliebtheit erfreut, so befindet sich die Erforschung der konkreten Lebensbedingungen insbesondere des Landadels noch immer in den Anfängen. Ausgehend von der Vielgestaltigkeit adeliger Existenzmöglichkeiten im Alten Reich wird die Lebenswelt eines altbayerischen Hofmarksherrn genauer untersucht. Freiherr Sebastian von Pemler (1718-1772), Hofmarksherr zu Hurlach und Leutstetten, hinterließ eine Fülle schriftlicher
Zeugnisse, die tiefe Einblicke in die Lebenswirklichkeit der gesellschaftlichen Elite des Ancien Régime gewähren. Zeigen
die Tagebuchaufzeichnungen des Freiherrn dessen Alltag und in mancherlei Hinsicht auch Einschätzungen und mentale Muster, so lässt die akribische Rechnungsführung des Landadeligen genaue Aussagen über die Organisation des Haushalts, Formen des Warenerwerbs und adelige Konsumnormen zu. Überdeutlich spiegelt sich in der Vorstellungswelt und im Alltag des Freiherrn die enorme Bedeutung der Familie und der Standesgenossen wieder. Wichtiger Bestandteil der adeligen Welt waren auch die Beziehungsstränge zu den Untertanen einerseits und zum Münchner Hof andererseits.
Alltag und Fest, Hofmarksherrschaft und adelige Muße, existentielle Bedrohungen und Frömmigkeitsformen – all diese Aspekte zeigen Freiherrn von Pemler als Kind seiner Zeit, der im Herbst des Alten Reiches das Wetterleuchten der Aufklärung zwar bereits wahrnahm, jedoch noch völlig den Normen der ständisch-feudalen Welt verhaftet war.