Sprache besitzt eine ihr innewohnende Bildmacht, sie evoziert bei ihrem
Rezipienten unwillkürlich Vorstellungsbilder. Dies gilt besonders für
poetische Sprache. Unter Einbezug rezeptionsästhetischer Ansätze zeigt
die Studie anhand des Beispiels der Figurendarstellung die
Charakteristika und Differenzen der Bildprogramme mittelhochdeutscher
Erzähltexte auf. Die Untersuchung geht dabei von der These aus, dass die
Methoden der Bildevokation an das ihnen zugrunde liegende Medium
gebunden sind. Untersucht werden deshalb zum einen Texte semioralen
Ursprungs und zum anderen solche, die konzeptioneller Schriftlichkeit
zuzurechnen sind. Abschließend stellt sich die Frage nach dem Verhältnis
von ‚histoire‘ und ‚discours‘ im Medienwechsel von Mündlichkeit zu
Schriftlichkeit. Mit der Bewusstwerdung der Sprache scheint gleichzeitig
eine Verschiebung des Schwerpunktes von der Erzählung zum Erzählen
stattzufinden.