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Der Schlaf der Vernunft
註釋Zu Goyas wichtigsten Werken zahlen ohne Zweifel die 1799 erschienenen Caprichos, ein Zyklus von achtzig Radierungen, dessen bekanntestes Blatt Capricho 43 ist. Nicht zuletzt aufgrund seiner vieldeutigen Bildlegende 'Der Schlaf' oder 'Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer' ist diese Darstellung eines schlafenden Mannes, der von allerlei Nachtgetier bedroht wird, eines der am meisten gedeuteten Bilder der spanischen Kultur uberhaupt. Zu Recht gilt Capricho 43 als programmatisches Bild, als Signatur der sich ihrem Ende zuneigenden Epoche der Aufklarung an der Schwelle des 18. zum 19. Jahrhundert, als markante Bruchstelle, in der die Moderne sich mit wesentlichen Charakteristika durchsetzt: etwa in der Frage nach den Bedingungen, Moglichkeiten und Grenzen der kunstlerischen Produktivitat und Phantasie, in der Frage nach dem Verhaltnis von Vernunft und Einbildungskraft im schopferischen Prozess. So geht es uber die Interpretation eines einzelnen Bildes hinaus um grundsatzliche asthetische, kunstlerische und anthropologische Fragen, die in diesem Bild fokussiert werden und in einer uber zweihundertjahrigen Rezeptionsgeschichte immer wieder neu gestellt und in unterschiedlicher Weise beantwortet wurden. Die Untersuchung gliedert sich in funf Teile. Der erste Teil ist der Entstehungsgeschichte, der Struktur und dem Gehalt des Bildes als vieldeutige Text-Bild-Form gewidmet. Dabei zeigt sich, dass der komplexe, streng proportionale Bildaufbau von mehreren Ordnungsprinzipien gepragt ist, die miteinander kontrastieren und sich dadurch gegenseitig relativieren. Im zweiten Teil wird die korperbezogene und anthropologische Dimension von Capricho 43 ausgelotet, nicht nur in bezug auf die Gesten- und Korpersprache des Schlafenden, sondern auch in Hinblick auf Goyas Konzeption der Universalsprache. Im Zentrum des dritten Teils stehen die Begriffsgeschichte und Theorie der Phantasie zwischen Vernunft und Wahnsinn. Vor diesem Hintergrund werden die innovativen Zuge in Goyas Konzeption der kunstlerischen Phantasie bestimmt. Die entfesselte, zugellose Phantasie bildet die Basis fur eine neue Asthetik des Monstrosen, in radikaler Abkehr von klassizistischen Vorstellungen. Im vierten Teil wird Capricho 43 zu Bildern und Texten in Beziehung gesetzt, die vor, wahrend und unmittelbar nach dem Blatt entstanden sind, wobei auch uber ein Dutzend zeitgenossische handschriftliche Kommentare analysiert werden. Im funften Teil werden die Rezeption und intermediale Transformation von Capricho 43 als Inspirationsquelle fur neue Kunstwerke vorgestellt, von 1799 bis zur Gegenwart. Diese interkulturellen Transfer- und Rezeptionsprozesse sind nicht nur in der Bildkunst, fiktionalen Literatur und Essayistik prasent, sondern auch in Musik, im Film und neuerdings in digitalen Medien.