Aus gesprächsanalytischer Perspektive untersucht die vorliegende Arbeit ein mentales Phänomen: Imagination in Gesprächen. In Verbindung von Interaktionaler Linguistik und Kognitiver Semantik wird Imagination als ein Prozess modelliert, in dem Sprecher gemeinsam szenisch strukturierte mentale Räume schaffen. Imagination wird damit sowohl als konversationelle Aktivität, als auch als Prozess gemeinsamer Kognition (Shared Cognition) verstanden.
Die empirische Grundlage bildet ein Korpus deutscher und spanischer Gespräche. Untersucht werden Sequenzen, in denen die Sprecher die Rolle von Figuren übernehmen, deren Äußerungen animieren und sich dabei in eine imaginierte Szene versetzen. Gewählt werden ausschließlich Daten, in denen die Sprecher keine Rede wiedergeben (also vergangene Äußerungen rekonstruieren), sondern ein fiktives, hypothetisches, negiertes oder generisches Ereignis "aufführen". Dies deckt ein breites Spektrum an konversationellen Kontexten ab, das vom interaktiven Entwerfen zukünftiger Handlungen über gemeinsame Fiktionalisierungen bis zur Animation von Äußerungen in grammatischen Konstruktionen reicht.